Meditation und Achtsamkeit als Heilungsweg
Meditative Übungen wurden schon immer in vielen religiösen Traditionen praktiziert. Dies zeigen die verschiedensten Meditationstechniken im Buddhismus, im Yoga, im Taoismus, die Zen-Tradition und die christliche Kontemplation.
Viele Menschen suchen in der Meditation (lat. meditatio: Ausrichtung zur Mitte) einen inneren Weg, und meditative Übungen werden in die Komplementärmedizin immer mehr integriert.
Zu den nicht religiösen Formen der Meditation gehört z.B. das Behandlungsprogramm MBSR (Mindfulness–based Stress Reduction) von Jon Kabat-Zinn. Es fördert den Stressabbau, kann die Behandlung von psychosomatischen Leiden unterstützen und wird bereits in vielen Kliniken (v.a. in den USA) eingesetzt. Das Programm dauert acht Wochen und besteht aus Atembetrachtung, Body-Scan (Körperbetrachtung) und Körperübungen aus dem Hatha-Yoga. Die verwendeten meditativen Übungen wurden von dem außergewöhnlichen vietnamesischen Meister Thich Nhat Hanh (geb. 1926) im Westen publik gemacht. Die Achtsamkeit in der Meditation, ebenso wie beim Gehen und in alltäglichen Handlungen steht ganz im Vordergrund seiner Lehre.
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse
Der meditative Zustand konnte bei meditierenden tibetischen Mönchen im EEG als eine deutlich verstärkte Gamma-Wellen-Aktivität nachgewiesen werden. Der Herzschlag wird langsamer, der Blutdruck sinkt, die Atmung wird tiefer, die Muskelanspannung lässt nach. Meditieren hilft bei chronischen Schmerzen, Phobien, Stressleiden, Depressionen und hat möglicherweise eine positive Wirkung auf das Immunsystem. Neueste Untersuchungen weisen darauf hin, dass regelmäßiges Meditieren die Architektur des Gehirns verändert. Der linke Stirnlappen, der Empfindungen wie Liebe, Freude und Zufriedenheit verarbeitet, wird aktiviert. Doch hier steht die wissenschaftliche Erforschung noch ganz am Anfang.
Achtsamkeit als Hilfe zur Entspannung
Indem wir den Atem, den Körper, die Gedanken, die Gefühle beobachten, ohne sie zu beurteilen, sondern einfach nur wahrnehmen, nehmen wir allmählich immer mehr die ruhende Position eines Beobachters („innerer Zeuge“) ein. Wir identifizieren uns nicht mehr mit unseren Gefühlsregungen und Gedanken, sondern wir erkennen sie und lassen sie dann wieder ziehen. So entsteht im Laufe einer regelmäßig durchgeführten Meditation eine Distanz und damit eine innere Ruhe und Gelassenheit.
Wir sitzen aufrecht und beobachten achtsam unseren Atem, wie er kommt und geht. Der Fluss des Ein- und Ausatmens nimmt uns mit in die Ebene des ruhigen Beobachtens: alles darf so sein wie es ist. Gedanken und Gefühle mögen kommen und gehen, wie Wolken, die vorbeiziehen… wir bleiben bei der Beobachtung des Einatmens und des Ausatmens. Der Atem ist ein Bindeglied zwischen unserem Alltags-Ich-Bewusstsein und der tiefen Weisheit unseres Körperbewusstseins. Dieses bleibt uns im Alltag meist verborgen, weil sie von einem fortwährenden Gedankenstrom übertönt wird. In der Übung des aufrechten und achtsamen Sitzens und des bewussten Atmens kommen wir allmählich in eine ruhige, alles annehmende Aufmerksamkeit…. und manchmal entsteht für einen kurzen Augenblick eine tiefe Stille und Dankbarkeit: einfach da sein dürfen, hier und jetzt.
Achtsamkeitsmeditation führt in die Gegenwart
Gedanken-Inhalte haben viel mit dem Kontinuum der Zeit zu tun:
Nur die Gegenwart ist erfahrbar und nur im gegenwärtigen Moment können wir unser Leben gestalten. Dagegen liegen Vergangenheit und Zukunft auf der Zeitachse weiter weg: Die Vergangenheit ist schon vorbei und die Zukunft ist noch nicht da.
Insofern hat das häufige Verweilen in Gedanken eine sehr schwächende Wirkung. Nur wenn wir uns ganz in der Gegenwart befinden, sind wir in der Lage, unser Denken und unsere Lebens-Umstände positiv zu beeinflussen. Nur hier und jetzt fühlen wir uns lebendig.
Unsere Gedankeninhalte sind nach neueren Untersuchungen meistens die gleichen. Sie wiederholen sich fortwährend wie eine Schallplatte, die in einer Rille hängen geblieben ist. Achtsamkeitsmeditation, Zen-Meditation und Vipassana sind meditative Übungen, die aus dem Wirrungen der sich fortwährend wiederholenden Gedanken in die Gegenwart führen.
Thich Nhat Hanh lehrt insbesondere die Achtsamkeit im Alltag, etwa beim Gehen, bei der Hausarbeit, beim Atmen. Jeder Augenblick kann uns reich beschenken, wenn wir ihn achtsam und ganz in der Gegenwart empfangen. Damit verschwindet die Kluft zwischen Meditationsübung und Alltag. Der Alltag wird zur meditativen Praxis.
Mantren als Meditationshilfe
Ein Mantra ist ein Wort oder Satz, der zur Unterstützung der Meditation laufend innerlich wiederholt wird. Mantren werden in den verschiedenen Traditionen des tibetischen Buddhismus, des Yoga, des Sufismus sowie in der orthodoxen Kirche (Herzensgebet) gelehrt.
Das Mantra zieht die Konzentration auf sich und verhindert das Umherschweifen der Gedanken. Es erzeugt einen Mittelpunkt zur Orientierung. (In der mathematischen Theorie chaotischer Systeme könnte dies einem Attraktor entsprechen).
Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass Meditation nur unter der Anleitung eines erfahrenen und integren Lehrers erlernt werden sollte. Nicht wenige Menschen, die sich ohne Lehrer auf diesen Weg begaben, haben sich in gedanklichen Irrwegen bis hin zur Paranoia verloren. Bücher über Meditation zu lesen genügt hier nicht, denn Bücher vermitteln gedankliche Inhalte und genau aus diesen Gedankenströmen will die Meditation ja hinausführen.
Naturheilkundliche Anwendung:
Literatur:
Thich Nhat Hanh: Zeiten der Achtsamkeit. 7. Auflage. Herder Verlag, Freiburg 1996
Thich Nhat Hanh: Wahren Frieden schaffen. Goldmann Verlag, München 2003
Tolle, E.: Jetzt. Die Kraft der Gegenwart. 9. Aufl. J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2004
Levine, S.: Schritte zum Erwachen. Meditation der Achtsamkeit. 2. Aufl. J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2002